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Zur Einführung sprach Gertrud Peters, Düsseldorf.

Guten Abend meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Klaus Schmitt, lieber Eric Lanz, ich begrüße Sie herzlich zur Ausstellung von Eric Lanz und freue mich, dass der Künstler und Klaus Schmitt mich eingeladen haben, Ihnen die hier gezeigten Werke näher zu bringen.

In diesen neuen Räumen des Kunstvereines bin ich zum ersten Mal, sie gefallen mir ausgezeichnet und als gebürtige Mönchengladbacherin unterstütze ich gerne die kulturellen Aktivitäten in meiner Heimatstadt -zumal, wenn sie mit soviel Begeisterung und Engagement betrieben werden wie in diesem Haus.

Am 2. Mai, vor fast genau vier Wochen, eröffnete ich eine Video-Ausstellung im KIT – Kunst im Tunnel in Düsseldorf, dessen Projektleiterin ich bin. Für die dort gezeigte Schau Videokoop bat ich Julia Stoschek, die unermüdliche Video-Kunst-Sammlerin und Gründerin der Julia Stoschek Collection in Oberkassel, die Künstler auszuwählen.

Denn Videokunst braucht Künstler und Kuratoren mit spezieller Leidenschaft – Immer noch, obwohl sich einiges geändert hat seit 1987, als Markus Landert im Katalog zur Ausstellung „Neues Video aus der BRD“ im Museum für Gegenwartskunst in Basel folgendes schrieb: „Videokunst vegetiert von Kunstkennern und Fernsehleuten fast unbeachtet in einem kulturellen Leerraum vor sich hin, getragen allein von den Künstlern und einigen wenigen Enthusiasten, denen es gerade die Randständigkeit und Zwitterhaftigkeit des Mediums angetan hat.“ Inzwischen ist Video vom Rand in die Mitte gerückt; jeder dreht seinen eigenen Film und stellt ihn auf youtube.com ins Internet, und für die Generation der nach 1970 geborenen ist das Medium Alltag. Trotzdem scheint mir, dass auch heute, über 40 Jahre nach den Anfängen des Video und lange nachdem der „Vater des Video“, Nam June Paik und Nan Hoover in Düsseldorf Videokunst lehrten, in der bildenden Kunst die beweglichen Bilder eine besondere Stellung haben. Denn die innige Verbindung von Kunst und Technik, von Bildschirmen und Beamern mit Bildern, die sich in jeder Sekunde zigmal neu erzeugen, erfordert Konzentration und Geduld und eben diese Leidenschaft, die ich auch Eric Lanz hundertprozentig bescheinigen kann.

Als ich am Dienstag in den Kunstverein kam, nahm mich als erstes die Stille gefangen, die, unterbrochen von unbestimmten leisen Lauten, meine Aufmerksamkeit unverzüglich auf die Bilder lenkte, die sich auf dieser Hauptwand im Erdgeschoss abwechseln. Dazu muss ich sagen, dass im KIT die meisten der dort gezeigten Videos von lautstarken Sounds begleitet werden, die eine Art multimedial konzentrierte Hör- und Sehfähigkeit verlangen. Videokunst hat das natürlich an sich. In einem Gespräch mit Lutz Mommartz, Düsseldorfer Video-Urgestein, sagte dieser: „Gehen wir als Besucher grundsätzlich in unserem eigenen Tempo durch eine Ausstellung, zwingt uns ein bewegtes Bild dazu, unsere eigene Art des Schauens abzulegen. Wir können nicht Vorübergehen an Videokunst, das wäre eine Missachtung der Zeit. Denn anders als bei einem Gemälde oder einer Skulptur, wo ein geübter Gucker schnell die Qualität beurteilen kann, kann er das beim Film nicht.“

Eric Lanz weiß das. Und lockt uns in ein raffiniertes Labor der Bilder. Wir sehen Experimente mit Materialen und Farben, mit Bewegungen und Zeiten, die uns bannen: was geschieht da? Was ist das? Was wird das? Nicht über Gebühr erhält Eric Lanz unsere Spannung aufrecht: zwei Minuten intensives Schauen, dann erscheint das nächste Bild, das nächste Phänomen des Alltags. Denn alltäglich sind die so genannten armen Materialien, die uns Lanz präsentiert. Ich will nicht viel verraten, aber einiges ist offensichtlich: Seifenschaum, ein Putzlappen, Wassertropfen. Wie in einem wissenschaftlichen Prozess verwandeln sie sich: Etwas, was eben noch fest erschien, erscheint plötzlich glibberig, etwas Schönes wird schaurig, etwas Banales wunderschön. Merkwürdige Assoziationen sind möglich: ist das ein Gesicht, ist dies das Innere eines Körpers, sehe ich Sternennebel im Kosmos oder Zigarrenrauch? Aus einer Aufnahmestunde destilliert Eric Lanz eine Minute Filmzeit, bietet uns Fragmente dar, an denen sich Bilder im Kopf entzünden. In diesem Werk, das den aus der Musik entliehenen Titel CRESCENDO, (übersetzt: anwachsend), trägt, sind es 14 Motive, die auf zwei Screens abwechselnd auftauchen, eine sanfte Bewegung vortäuschen, die uns, die Betrachter, in eine dritte Dimension entführen: Auf dieser Wand ist eine Fülle von Räumen entstanden die wir mit den Augen betreten und erforschen können. Ich fühle mich an ein Museum erinnert, darin eine Ausstellung monochromer Bilder und Reliefs. Mit sachlichem Ernst und elegantem Humor präsentiert uns Lanz eine bezaubernde Welt aus banalen Dingen; er zeigt die Schönheit des Putzlappens, die Erhabenheit gewebter Fasern, die Glamourösität des Seifenschaumes. Crescendo ist ein poetisches Werk, das losgelöst scheint von der Technik, die es zum Leben braucht.

Das sieht oben auf der Galerie anders aus. Bei der zweiseitigen Projektion von Doublebind ist die Technik anwesend und fordert den Betrachter auf, aktiv zu werden wie in einem Computerspiel. Ein Klick auf den grünen Knopf – und schon ist er in das Geschehen integriert: für einen kleinen illusionistischen Moment steht er dem Hauptdarsteller auf einer Fußgängerbrücke im Düsseldorfer Medienhafen gegenüber. Eric Lanz hat diesen Mann aus wechselnden Perspektiven gefilmt: einmal vom Fernsehturm aus, einmal mit der Handkamera auf Augenhöhe zu ihm, der auf der Brücke hin und her läuft. Ein weiterer Klick und der Betrachter ist wieder draußen. Er schaut zu, wie der Mann auf der Brücke einem weiteren Mann einen Brief überreicht und davon läuft. Der Briefempfänger öffnet den Brief und sieht das Unendlichkeitszeichen. Dann beginnt auch er, auf der Brücke auf und ab zu gehen. Eric Lanz spielt hier mit unseren Erwartungen, mit unserer Ungeduld und unserem Machtwillen. Um es auf den Punkt zu bringen: Doublebind frustriert. Das duale, einer liegenden 8 gleichende Unendlichkeitszeichen ist Sinnbild für die Situation der Spielfiguren und der Spieler: sie rennen und klicken und rennen und klicken, sehen das Geschehen mal aus der Vogelperspektive und sind mal mitten drin aber nie kommen sie zu einem befriedigenden Ende. Hier sind nicht die Supertypen aus Lara Croft oder Counter Strike unterwegs, hier konfrontiert uns Eric Lanz mit einem echten double bind Problem: Ich zitiere aus wikipedia: Doppelbindungstheorie (engl. double-bind theory) beschreibt die lähmende, weil doppelte Bindung eines Menschen an paradoxe Botschaften oder Signale (auch nonverbale, z. B. Gesten) und deren Auswirkungen.Das Adjektiv lähmend trifft ziemlich genau das Gefühl, das auftaucht, wenn man trotz angestrengter Aktivität und Interaktivität im Kreis herum rennt bzw. auf der Stelle tritt. Etwas anderes wird mit Doublebind nicht möglich sein. Denn Eric Lanz hat ein mit zeitgenössischen technischen Möglichkeiten produziertes und ausgestattetes Scheinbild geschaffen. In diesem spielen zwar echte Menschen statt Avataren die Hauptrollen, aber das macht diesen Albtraum der Einsamkeit erst recht zur einem Spiegel einer Gesellschaft, die ihre kulturellen Traditionen bedenkenlos einer multimedialen und globalen Unterhaltungsmaschinerie zu opfern droht. Die Kunst, die Künstler und Sie, meine Damen und Herren, die sie die Kunst und die Künstler fördern, werden dem erfolgreich entgegen wirken. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen noch einen schönen Abend.

Gertrud Peters, Leiterin KIT (Kunst im Tunnel), Kunsthalle Düsseldorf

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