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Zur Einführung sprach Dr. Justus Jonas, Mainz.

Der Titel ‚Etwas Grün’ ist mehrdeutig, je nachdem wie man die Betonung legt: ein wenig Grün (also nicht ganz Grün) oder etwas Grünes (nur ein wenig Farbe oder auch ein Bild?). Ulrich Wellmann hat sich im Kunstverein Mönchengladbach auf die für ihn neue Situation eingelassen, im großen Format direkt auf Wand zu malen. Was bedeutet das? 1. Das Bild wurde nicht mitgebracht. Es ist an Ort und Stelle entstanden. 2. Es ist nur auf Zeit existent. Der Ort wird zum Atelier, die Wand und ihr Raum zum Bildträger. Wenn man zu einer Ausstellung geht, will man Kunst sehen, möglicherweise auch, wie der Ort „bespielt“ wurde. Der Raum bleibt dabei jedoch letztlich immer nur ‚Karton’, Hülle für die jeweilige Inszenierung. Das von Ulrich Wellmann gemalte Wandbild ist nur hier zu sehen. Wer es hier nicht sieht, wird es auch nicht woanders sehen können. Und wer es während der Ausstellungsdauer nicht sieht, wird es danach nie original sehen können. Raum und Bild sind nicht zu trennen. Das heißt aber auch: Diese Allianz wird nie wirklich enden. Das Bild wird durch Überstreichen zum Verschwinden gebracht, es wird aber den Raum nie ‚verlassen’. Ulrich Wellmann definiert die Gestalt des Wandbildes auf eine ungewöhnliche, neue Weise. Es verdeckt weder die Wand, noch füllt es diese aus. Die Wand wurde nicht ausgebessert oder begradigt für das Bild. Ihre ursprünglichen Strukturen, Unebenheiten und verputzten Flickstellen bleiben sichtbar und unkaschiert. Der Maler respektiert die Eigenschaften der Wand und lässt sie Teil haben an den gemalten Farben. Ulrich Wellmann hat das Bild in der oberen linken Ecke begonnen. Mit kreisenden Pinselzügen breitet sich das Grün allmählich verdichtend und dem Lichtverlauf folgend nach rechts bis nahe der Tür aus, um das entstehende Feld dann nach links und zur Mitte zu erschließen. Mit dem Ausbreiten des Grün ist eine erste Dimension der Farbe erreicht, aber noch nicht das Bild selbst realisiert. Wo beginnt und endet das Bild? Die Ränder wurden nicht begradigt.

Das Bild ist durch mehr als faktisches Aufhören von Farbe definiert. Um aus der Malfarbe eine Bildfarbe zu machen, muss sie als solche angeschaut werden. Wie jede Sicht ist das bildstiftende Sehen gefärbt durch Erfahrungen, Sorgen, Freude, Wünsche... Der Maler legt wenige dicht blaue Pinselzüge so auf das Grün, dass all seine Bereiche berührt scheinen. Wie Blickpunkte wenden sie sich sowohl dem Grün als auch dem Betrachterraum zu. Sie bieten der gesamten Farberscheinung Halt: Das Bild ist erreicht. Zwei unterschiedliche Töne mit zwei verschiedenen Gestaltwerten der Farbe: Grün und Blau, Malen und Sehen sind Malerei geworden. Der nuancierte, transparente Farbauftrag bewirkt, dass sich das Bild nirgends von der Wand löst. Es verschmilzt mit, ja wird Eigenschaft der Wand. Fast wirkt es so, als sei das Bild schon immer da gewesen wie ein freigelegtes Fresko. Und tatsächlich ist es auch ‚in einem Tagwerk’ entstanden. Berührtsein, Antasten, einander Zuwenden – dies sind Wesensmerkmale für das anschauliche Verhältnis der Farben. Gelöst von Theorien werden hier Farben und ihre Beziehungen spürbar ohne auf das Ästhetische begrenzt zu sein. Sie sind übertragbar auf menschliche und ethische Bereiche. Der Umgang mit der Farbe durch das Malen besitzt für Ulrich Wellmann Modellcharakter für unser Verhalten in und gegenüber der Welt schlechthin. Er hat mit seinem Wandbild im Kunstverein Mönchengladbach ein Raumkunstwerk auf Zeit geschaffen. In der Entlastung des großformatigen Gemäldes vom Verdacht der Machtdemonstration und des Autoritätsgehabes gibt sich das Sensible, Respektvolle und Menschliche der Kunst Ulrich Wellmanns zu erkennen.

Justus Jonas

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